Der Finnischen Jugend
Wir, die kleine noch am Leben gebliebene Nachhut des Königlich preußischen Jägerbataillons Nr. 27 und die schon zu ihrem letzten Zapfenstreich angetretenen Jägerbrüder, schritten vor sechs Jahrzehnten einer ungewissen und unsicheren Zukunft entgegen in ein fremdes, kriegführendes Land und dessen Armee.
Wir wollten für die Selbständigkeit unseres Vaterlandes kämpfen, das der Gefahr der Russifizierung ausgesetzt war und sahen im begonnenen Weltkrieg eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen. Wir wollten Finnland vor dieser tödlichen Gefahr schützen, die drohte, das Erbe unserer Vorfahren – die Rechts- und Gesellschaftsordnung, die individuelle Freiheit und die nationale Kultur – zu zerstören. Das finnische Volk sollte einer fremden Nation einverleibt werden. Um unser Ziel zu erreichen, brauchten wir eine militärische Ausbildung, die uns im Heimatland unmöglich war, nachdem unsere Streitkräfte zu Beginn des Jahrhunderts aufgelöst worden waren. Wir standen vor schier übermächtigen Schwierigkeiten, und Hilfe musste dort geholt werden, wo man sie bekommen konnte: einzig im deutschen Kaiserreich bestand seinerzeit die Möglichkeit dazu. Indem wir in seiner Armee kämpften, erhielten wir unsere militärische Ausbildung.
Zu unserer Truppe gehörten Männer aus allen Provinzen Finnlands, aus jeder Partei, aus beiden Sprachgruppen und aus allen Schichten der Gesellschaft. In den Reihen unseres Bataillons standen Seite an Seite: Bauer und Tagelöhner, Ingenieur und Arbeiter, Rektor und Schüler. Uns vereinte der wachsende Glaube an die Befreiung unseres Vaterlandes und der Wille, dafür zu kämpfen. Seinetwegen beschlossen wir nach Deutschland zu gehen. Er gab uns die Kraft, über den Bottnischen Meerbusen, quer durch die Wildnis Lapplands in die Holsteinische Heide zu fahren. In die Moore von Misse, in die Schützengräben der Rigaer Bucht und auf die Truppenübungsplätze von Libau. Der Glaube an die Befreiung unseres Vaterlandes hielt unsere Truppe auch dann zusammen, als die Zukunft trostlos und düster schien. Jahrelange Abwesenheit vom Heimatland, die Härte der Lebensbedingungen und die ständige Unsicherheit über die Zukunft wollten unsere Moral zermürben. Der Glaube an unsere gerechte Sache gab uns die Kraft, allen Versuchungen zu widerstehen.
Zurückgekehrt nach Finnland wussten wir, dass unser Ziel zum Greifen nahe war. Bitter und tief enttäuscht aber waren wir, als wir zu unserer großen Überraschung gegen unsere eigenen Landsleute kämpfen mussten. Wir bedauerten es damals und bedauern es auch heute noch. Dennoch ist unsere Auffassung gewesen und ist es noch immer, dass der Freiheitskrieg 1918 die einzige Möglichkeit war, Finnland von fremden Truppen zu befreien, die Selbstän- digkeit und Freiheit des Landes zu sichern, und dass eine solche Chance sich später nicht mehr geboten hätte.
Nur wenige von uns dürften eine Militärkarriere im Sinn gehabt haben, als wir nach Deutschland aufbrachen. Nach dem Krieg kehrten viele ins Zivilleben zurück und übernahmen verschiedene Aufgaben in der Gesellschaft. Für einen beachtlichen Teil von uns wurde jedoch der Dienst in der Finnischen Armee zur Lebensaufgabe. Wir durften die Verteidigungskräfte des freien Finnland aufbauen und entwickeln.
Im Herbst 1939 standen wir vor einer schrecklichen Feuertaufe und damals kehrten auch jene in die Armee zurück, die in der Zwischenzeit ins Zivilleben gewech- selt waren. Die folgenden Jahre gehörten dem Kampf. Wir dienten in der Verteidigungskräften in verschiedenen Funktionen: vom General bis zum Frontsoldaten. Wieder war unser einziges Ziel ein selbständiges und freies Finnland. Zusammen mit allen finnischen Männern und Frauen wollten wir unsere Pflicht erfüllen – jeder an dem Platz an den ein jeden von uns gestellt worden war. Wir wissen, dass unser Kampf nicht umsonst gewesen ist. Finnland überstand die Stürme des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt und zerrissen, aber es hatte seine Selbständigkeit behalten.
Euch, der finnischen Jugend und ihren zukünftigen Nachkommen, wollen wir das hinterlassen, was wir für das Wertvollste halten:
- das Vertrauen in die Zukunft Finnlands als selbständiger und freier Staat,
- der unerschütterliche Glaube an die Gerechtigkeit dieser Sache und ihren Sieg, auch wenn alles hoffnungslos scheint,
- der Wille und der Mut, in jeder Lage für dieses Ziel zu kämpfen.
Die finnischen Jäger am 25.2.1975