Die Ausbildungstruppe Lockstedt
31.8.1915-11.6.1916Ende August / Anfang September 1915 veränderte sich die rechtliche Stellung der Freiwilligen. Sie wurden Soldaten der preußischen Armee. Ein Fahneneid wurde ihnen allerdings nicht abverlangt, stattdessen sollten sie sich verpflichten, überall und mit allen Kräften Deutschland zu dienen. Nach russichen und finnischen Gesetzen machten sich die Freiwilligen damit des Landesverrates schuldig.
Von September 1915 bis Mai 1916 nannte sich die finnische Freiwilligentruppe Ausbildungstruppe Lockstedt. Sie wurde so zusammengesetzt, dass Führungs- und Stammpersonal für möglichst viele Waffengattungen einer zukünftigen Finnischen Armee ausgebidet werden konnte. Zu Anfang wurden zwei Schützenkom- panien, eine Maschinengewehrkompanie und eine Pionierkompanie aufgestellt. Im Zuge des weiteren Personalaufwuchses wurden zwei zusätzliche Schützenkompanien und eine eine Feldrtillerieabteilung aufgestellt.
Die Ausbildung wurde von deutschen Offizieren und Unteroffizieren durchgeführt. Der Schwerpunkt der Rekrutenausbildung lag auf Innen- und Formaldienst. Später konzentrierte man sich auf die Schieß- und Kampfausbildung. Die deutsche Sprache war für viele schwierig zu erlernen. In der Ausbildung wurden die Finnen pedantisch zu preußischer Disziplin erzogen. Die Ausbildung war hart, vielseitig und effektiv. Dabei wurden auch die neuesten Kriegserfahrungen eingebracht. Ein Teil der Finnen erhielt darüberhinaus eine Führerausbildung.
Das Lockstedter Lager
Die Rekruten, die ab Herbst 1915 eintrafen, verfügten über praktisch keine deutschen Sprachkenntnisse, und die meisten haben diese ihnen fremde Sprache auch später nie wirklich gelernt. Deshalb wurden den deutschen Offizieren und Unteroffizieren auch finnische Ausbilder und Unterführer an die Seite gestellt. Eigens für sie wurden Dienstgrade eingeführt, die sich von den deutschen unterschieden. Bei den obersten Dienstgraden war der finnische Hauptzugführer der gespiegelte deutsche Bataillonskommandeurs und die finnischen Oberzugführer gespiegelte Kompaniechefs.
Zum Hauptzugführer wurde Erik Jernström befördert, der seine Stellung bis zur Auflösung des Bataillons innehatte. Solange das Bataillon bestand, wurden 19 Finnen zu Oberzugführern, 46 zu Zugführern, 196 zu Gruppenführern und 274 zu Hilfsgruppenführern befördert.
Die Ausbildung der Finnen war – im Vergleich zu derjenigen der Deutschen, die oft nach relativ kurzer Zeit an die Front mussten – außergewöhnlich gut. Ihre deutschen Vorgesetzten waren mit den Leistungen der Finnen sehr zufrieden. Besonders die Treffsicherheit beim Schießen, die Ausdauer beim Marschieren und die sportlichen Leistungen erweckten Respekt.
Zu den Schattenseiten des Jägerdaseins gehörten die schlechte Unterbringung, die ungewohnte und oft unzureichende Verpflegung sowie der ständige Geldmangel wegen des kärglichen Soldes. Am schlimmsten jedoch waren das Heimweh und die Ungewissheit sowohl über das eigene, als auch über das Schicksal Finnlands. Mangel und Sorgen wurden durch das freundliche Verhalten der hol- steinischen Bevölkerung gemildert.
Mit zunehmendem Fortschreiten der Ausbildung wurde den Jäger mehr dienstfreie Zeit gewährt. Meistens verbrachte man sie auf dem Lockstedter Lagergelände oder in der Umgebung. Der beliebteste abendliche Treffpunkt war das Café Schütt, dessen Angebot man genißen konnte, sofern man das Geld dazu hatte.
Die Offizier- und Unteroffizierränge der finnischen Jägertruppe in Deutschland waren folgende:
- Hauptzugführer
- Oberzugführer
- Zugführer
- Gruppenführer
- Hilfsgruppenführer
Das Jägerbataillon an der Ostfront 12.6.1916–13.12.1916
Major Bayer erhielt Ende 1915 von der finnischen Auslandsdelegation, die Deutschland besuchte, und vom preußischen Kriegsministerium die Erlaubnis, seine finnischen Truppe Fronterfahrung sammeln zu lassen.
Anlässlich der Inmarschsetzung wurde die finnische Freiwilligentruppe am 9.5.1916 zum Königlich Preußischen Jägerbataillon Nr. 27 erhoben. In drei Eisentransporten wurde das Bataillon Ende Mai von Lockstedt an die deutsche Ostfront verlegt. Es hatte eine Gefechtsstärke von 203 Deutschen und 1254 Finnen.
Das Bataillon marschierte am 11. und 12.6.1916 an die vorderste Linie der Front an der Rigaer Bucht. Als Gefechtsabschnitt wurde ihm ein etwa vier Kilometer breites Moorgebiet am Fluss Misse (lett. Misa) zugewiesen. Der Frontdienst der Jäger an der Misse bestand in erster Linie aus Wachdienst und dem Ausbau von Stellungen. Bei Patrouillen im Niemandsland kam es gelegentlich zu Zusammenstößen mit den Russen. Feindliche Artillerie belegte die die finnischen Stellungen häufig mit Feuer.
Außerhalb des Abschnitts des Bataillons gerieten zwei seiner Einheiten im Juli in ein Gefecht. Der Artilleriezug beteiligte sich an der Abwehr eines russischen Angriffs im Abschnitt Eckau-Keckau (lett. Iecava- Ķekava) und die (einem deutschen Jägerbataillon unterstellte) Pionierkompanie, an einem Angriff im Abschnitt Schmarden (lett. Šmarde). Kanoniere und Pioniere erhielten von ihren deutschen Vorgesetzten reichlich Anerkennung für ihre Leistungen auf dem Schlachtfeld.
Ende August wurde das Bataillon an den Strandabschnitt der Rigaer Bucht bei Dumbe (lett. Klapkalmciems) verlegt. Das Gelände war trocken und lanschaftlich reizvoll, aber es gab mehr Feindaktivität, was zu Verlusten führte. Auf dem deutschen, in Klapkalnciems gelegenen, Soldatenfriedhof sind fünf finnische Jäger bestattet, die bei den Kämpfen in diesem Gebiet gefallen sind.
Weihnachten 1916 in Libau (lett. Liepaja),
die Kämpfe an der Kurländischen Aa (lett. Lielupe)
Ende September kam im Bataillon Unzufriedenheit auf, die aus dem harten Dienst, der mangelhaften Versorgung und der Unsicherheit über die eigene Zu- kunft resultierte. Auch traten Probleme zwischen Vorgesetzten und Untergebenen auf. Obwohl das Problem dank des besonnenen Eingrifens der Offiziere bald beseitigt war, mussten mehrere Jäger disziplinar gemaßregelt werden und ein Teil wurde ins Arbeitslager geschickt.
Das Bataillon wurde im Dezember 1916 von deutschen Verbänden abgelöst und feierte Weihnachten in Libau (lett. Liepaja). Allerdings mussten die Männer schon nach drei Wochen erneut an die Front, um eine russischen Angriff an der Aa (lett. Lielupe) abzuwehren. Die starke Kälte brachte schließlich jegliche Kampftätigkeit zum erliegen. Im Januar 1917 übertrug Major Bayer seine Aufgaben als Bataillonskommandeur an Hauptmann Julius Knaths.
Das Bataillon wurde am 25.3.1917 aus der Front herausgelöst und nach Libau verlegt. Es hatte in der Zwischenzeit reichlich Kriegserfahrung sammeln können, aber auch Verluste erlitten. Elf Finnen waren gefallen, einer tödlich verwundet und einer vermisst. Insgesamt wurden 49 Jäger verwundet. Am schlimmsten aber lichteten sich die Reihen der Jäger durch verschiedene Krankheiten, an deren Ausbruch die mangelhafte Versorgung und die ungesunden Verhältnisse ihren Anteil hatten. 15 Frontkämpfer starben an Krankheiten, meist an Tuberkulose. Alle Jäger, die in Kurland fielen oder in Lazaretten verstarben, sind im heutigen Lettland bestattet. Die meisten Gräber wurden identifiziert und zum Teil restauriert.
Das Jägerbataillon in Libau 25.3.1917–13.2.1918
Libau, in Friedenszeiten ein Garnisons-, Bade- und Ferienort an der Ostsee, bot gute Ausbildungsmöglichkeiten, denn dort gab ausgedehnte Truppenübungsplätze, Schießbahnen, Festungsanlagen und einen Kriegshafen. Der Zustand der alten russischen Kasernen war aber unbefriedigend, Ungeziefer plagte, die Bekleidung war unzureichend und die mangelhafte Verpflegung. Es gab zahlreiche Tuberkulosefälle. Im Hochsommer wüteten Malaria- und Ruhrepidemien. Bei der Krankenpflege, aber auch als seelische Stütze, leisteten die finnischen Krankenschwestern Ruth Munck und Saara Rampanen sehr wertvolle Arbeit.
In Libau wurden im Bataillon eine zweite Maschinengewehrkompanie, eine Kavallerie- und eine Fernmeldeabteilung aufgestellt. Hauptmann Julius Knaths übergab seine Aufgaben als Bataillons- führer am 29.9.1917 an Hauptmann Eduard Ausfeldt, den letzten Kommandeur des Bataillons. Die Offizier- und Feldwebelposten wurden nun Finnen übertragen.
Während die Jäger auf ihre Heimkehr nach Finnl warteten erhielten sie verschiedene Zusatzausbildungen. Ziel war es, dass jeder einfache Soldat an einem Unteroffizierehrgang teilnehmen sollte. Ein Teil erhielt auf einem Spezialkurs in Polangen (lit. Polanga) eine Spreng-, Sabotage- und Partisanen-Ausbildung. Auch zu Kradmeldern, Kraftfahrzeugfahrern und Motorbootführern, für den Eisenbahndienst und verschiedene Verpflegungsdienste wurde ausgebildet. Ein Jäger erhielt eine Pilotenausbildung.
Während der Libauer Zeit erstellten die Jäger ein finnisches Kommando-Wörterbuch. Die größte Errungenschaft bestand in einem über 1500 Seiten umfassenden Finnischen Soldatenhandbuch. Dieses grundlegende Werk der Berufsliteratur für finnische Soldaten verfasste eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Oberzugführer Armas Ståhlberg. Hilfsgruppenführer Heikki Nurmio schrieb in Libau den Text zum Jäge marsch, den Jean Sibelius vertonte. Der Marsch hatte große Bedeutung für den Zusammenhalt der Jäger.
Jäger außerhalb des Bataillons
Als das Jägerbataillon Nr. 27 im Mai 1916 an die Front verlegt, verblieb eine Feldersatztruppe in Lockstedt.
Während der Jahre 1916 und 1917 gehörte neben dem Jägerbataillon Nr. 27 und seiner Feldersatztruppe noch eine dritte finnische Einheit zur preußischen Armee. Es war dies das Arbeitskommando des Artilleriedepots Altona-Bahrenfeld. Dorthin wurden ab Dezember 1916 zur Ableistung ihrer Strafe Jäger geschickt, die gegen die soldatische Disziplin verstoßen hatten. Nach Bahrenfeld kamen insgesamt 224 Jäger, die unter den Bedingen der Zwangsarbeit leben mussten. Ein Großteil von ihen wurde im August 1917 entlassen.
Wehrdienstuntaugliche Jäger wurden im zivilen deutschen Arbeitsleben dort eingesetzt, wo Arbeits- kräftemangel herrschte, meist in der Industrie. Insgesamt wurden 512 Jäger in den Zivildienst entlassen, von denen 32 zum Bataillon zurückkehrten. Beim letzten Transport zum antritt von Zivilarbeitsverhältnissen ereignete sich ein tragisches Zugunglück. Bei einem Zusammenstoß zweier Züge nahe Osnabrück am 16.1.1918 starben der Leiter des Transportes, Gruppenführer Alfons Arlander, und 11 Jäger, die in Köln Arbeiten in der Rüstungsproduktion aufnehmen sollten
Saksan ulkopuolella jääkäreitä liikkui paitsi värväreinä myös tiedustelutehtävissä ja sabotööreinä eli ”pommareina”. Heidän merkittävin saavutuksensa oli venäläisten Kilpisjärvelle kokoaman suuren sotatarvikevaraston tuhoaminen kesällä 1916.
Insgesamt gerieten 19 Jäger oder Pfadfinder, die als Anwerber, Nachrichtenübermittler oder Saboteure unterwegs gewesen waren, in russische Gefangenschaft. Davon landeten 13 im Gefängnis Spalernaja in St. Petersburg, wo sich auch 60 finnische zivile Aktivisten befanden. Im Rahmen der russischen Febraurevolution 1917 wurden die Gerichtsverhandlung gegen diese sogenannten „Gitterjäger“ ausgesetzt und die Gefangenen freigelassen.
Die Heimkehr der Jäger 1917–1918
Im Herbst 1917 machten sich die ersten Vorkommandos der Jäger in Verbindung mit Waffentransporten auf den Weg nach Finnland. Zum ersten Vorkommando gehörten acht Jäger. Sie setzten an Bord des englischen Frachtschiffes Equity über, das die Deutschen gekapert hatten. Dessen Kommandant war Oberleutnant zur See Gustav Petzold. Die Fracht wurde Ende Oktober Anfang November auf einer Insel vor den Städten Vaasa und Pietarsaari gelöscht. Die zweite Fahrt der Equity missglückte, lediglich die an Bord befindlichen Jäger erreichten das Land.
Zwischen den Fahrten der Equity landeten acht Jäger mit dem deutschen U-Boot UC 57 vor Loviisa an. An Bord waren Waffen und Munition. Auf dem Rückmarsch ist das U-Boot verschollen.
Neben den o. g. Kommandoeinheiten wurden Ende 1917 und Anfang 1918 auch andere kleine Jägergruppen nach Finnland eingeschleust.
Als sich Finnland am 6.12.1917 Seine Unabhängigkeit erklärte, brach für die Jäger die Zeit der Heimkehr an. Dese wurde von den Deutschen hinausgezögert um die Friedensverhandlungen von Brest-Litowsk zwischen Russland und Deutschland nicht zu gefährden. Die Lage klärte sich, als sowohl die bolschewistische Regierung Russlands als auch Deutschland die Selbständigkeit Finnlands anerkannten. Nun konnte Russland die Rückkehr der Jäger nicht mehr als feindlichen Akt ansehen.
Das preußische Kriegsministerium befahl am 5.2.1918, das Jägerbataillon Nr. 27 zum 13.2. aufzulösen. Als neuen Vorgesetzten erhielten die Jäger den finnischen Oberstleutnant Wilhelm Thesleff, der als Bevollmächtigter der finnischen Regierung nach Libau gekommen war.
Die Jäger unterzeichneten eine Verpflichtung, für mindestens ein Jahr in der Armee Finnlands zu dienen und erhielten finnische militärische Ränge Am 11. Februar wurden 1130 Jäger befördert. So konnte die Armee des selbständigen Finnlands im Hinblick auf die kommenden Ereignisse einen Stamm von äußerst wichtigen 403 Offizieren und 727 Unteroffizieren in ihren Dienst stellen.
Ankunft in Vaasa am 25.2.1918
Am Morgen des 13.2.1918, als das Bataillon aufgelöst wurde, verlas der Kommandeur des Bataillons, Hauptmann Ausfeldt, den Auflösungsbefehl und hielt eine Abschiedsrede. Die Fahne des Bataillons wurde in der TrinitatisKirche zu Libau geweiht; die Jäger leisteten ihren Fahneneid auf die legale finnische Regierung.
Bevor die Jäger heimkehrten, hatte in Finnland der Freiheitskrieg begonnen, der zusehends Züge eines Bürgerkrieges annahm. Das schürte die Furcht, die Jäger würden sich in zwei Lager spalten. Die Angst erwies sich als unbegründet, von Hunderten von Jägern aus Arbeiterkreisen stellten sich beinahe alle auf die Seite der legalen Regierung, also auf die Seite der finnischen Weißen. Einige Jäger verblieben wegen ihrer politischen Einstellung in Deutschland. Während das Gros der Jäger nach Finnland zurückgekehrt war, blieben ca. 400 Jäger aus verschiedenen Gründen im Reich. Ein Großteil hatte einen zivilen Arbeitsplatz, andere lagen in Krankenhäusern oder waren auf dem Weg der Genesung. Sie kehrten größtenteils in den Jahren 1918 und 1919 nach Finnland zurück. Dutzende dienten im Freiheitskrieg noch an der Front.
Die Vorhut der Jäger, 85 Mann, traf am 18.2. unter Major Harald Öhquist auf den mit ihren Waffen beladenen Schiffen Mira und Poseidon in Vaasa ein.
Das Hauptkontingent der Jäger trat seine Reise nach Finnland am 14.2. vom Libauer Hafen aus an. Das Fährschiff Arcturus unahm 854 Jäger an Bord; es war zum Bersten voll. Der Kohlenfrachter Castor nahm 96 Jäger auf. Insgesamt be- stand die Truppe somit aus 950 Mann. Der Eisbrecher Sampo beglitete die Schiffen auf der letzten Strecke nach Vaasa. Das Gros kam am 25.2.1918 an – auf den Tag exakt drei Jahre nachdem die ersten Pfadfinder in Lockstedt eingetroffen waren.
Bei seiner letzten gemeinsamen Parade, am 26. Februar, trat das Jägerbataillon auf dem Marktplatz in Vaasa vor seinen Oberbefehlshaber General Carl Gustaf Mannerheim. General Mannerheim hielt eine Rede, in der er hervorhob, dass die Jäger eine große und ehrenvolle Aufgabe erwarte.
Nach der Parade übernahmen die Jäger neue Aufgaben innerhalb der Regierungstruppen im Raum des von den Weißen kontrolliertenTerritorium Finnlands.