Die Entstehung der Jägerbewegung
Den Hintergrund für die Entstehung der Jägerbewegung und des königlich preußischen Jägerbataillons Nr. 27 bildeten einerseits das Ende des 19. Jahrhunderts erwachte finnische Nationalbewusstsein und andererseits die russischen Unterdrückungsmaßnahmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Zarenreich war im Begriff, das Großfürstentum Finnland zu russifizieren und seine innere Autonomie abzuschaffen. Nach den 1899–1905 eingeleiteten und 1908 wieder aufgenommenen Unterdrückungsmaßnahmen sah die Zukunft unseres Landes trostlos aus. In Finnland entstand eine starke antirussische Stimmung.
Der Erste Weltkrieg ermöglichte die Entstehung der Jägerbewegung. Mit Kriegsausbruch 1914 hofften viele Finnen auf eine Niederlage Russlands. Diese Hoffnung wurde durch die schweren Niederlagen die die Russen in den ersten Phasen des Krieges erlitten genährt. In Helsinkis Studentenkreisen erwachte die Widerstandsbewegung der sogenannten ”Aktivisten“, die schon während der ersten Unterdrückungsphase gewirkt hatte.
Im November 1914 wurde ein umfassendes Russifizierungsprogramm veröffentlicht, dessen Umsetzung, auch die letzten Fasern der finnischen Autonomie zerfetzt hätte. Die dadurch entstandene aufgewühlte Stimmung vereinte bisher einander unbekannte Aktivisten. Auf einer Versammlung im Kassenraum der Studentenvereinigung Ostrobotnia zu Helsinki wurde am Abend des 20. November die Selbständigkeitsbewegung ins Leben gerufen. Darin wurde die Loslösung Finnlands von Russland als zwingend angesehen. Da dieses Ziel nur mit Gewalt zu erreichen war, wurde die Gründung einer Volksarmee beschlossen.
Die Führung der Selbständigkeitsbewegung bestand zunächst aus Jungen bürgern, die mehrheitlich jedoch bereits ein Hochschulstudium abgeschlossen ahtten. Sie erkannten, dass die zukünftigeVolksarmee Waffen und geschulte Führer benötigte. Versuche, eine entsprechende Ausbildung im Heimatland, in Schweden oder Dänemark zu erhalten, führten zu keinem Ergebnis. So beschloss man, sich an das mit Russland verfeindete Deutschland zu wenden.
Der Pfadfinderkurs in Deutschland 25.2.–30.8.1915
Im Januar 1915 erteilten die deutsche Armeeführung und das Außenministerium einer militärischen Ausbildung von 200 Finnen ihre Zustimmung. Mit Hochdruck setzte daraufhin in Studentenkreisen umgehend die Rekrutierung von Freiwilligen ein. Anfangs gelangten alle ungehindert mit ihren Reisepässen über Schweden nach Deutschland. Die Ausbildung wurde im Lockstedter Lager von, einer Gemeinde in Holstein nördlich von Hamburg, im heutigen Hohenlocksedt, durchgeführt. Die ersten Männer trafen dort am 25.2.1915 ein. Ihre Gesamtzahl belief sich schließlich auf 189 Mann. Die Mehrheit der Freiwilligen, 145 Mann, hatten Abitur, von diesen wiederum waren 34 Hochschulabsolventen. Die Mehrheit, etwa 64%, hatte schwedisch als Muttersprache.
Die Finnen wurden nicht als Soldaten sondern als zivile Gäste des deutschen Kaiserreiches behandelt. Sie trugen anfangs die Kluft der deutschen Pfadfinder und wurden auch so genannt. Später erhielten die Freiwilligen die Uniform derdeut- schen Infanterie und wurden als Musketiere bezeichnet. Ihr rechtlicher Status blieb aber unverändert.
Die Ausbildungsdauer wurde zunächst auf 4 Wochen festgesetzt, diese Zeitspanne wurde jedoch immer wieder verlängert. Die Ausbildung etsprach den Anforderungen und war effektiv. Sie glich in etwa der späteren finnischen Reserveoffizierausbildung.
Der Führer des Kurses und Kommandeur der finnischen Freiwilligen war bis Januar 1917 Major Maximilian Bayer. Als Ausbilder waren vier deutsche Offiziere und mehrere Unteroffiziere eingesetzt. Auch einige Finnen wurden zu Vorgesetzten befördert.
Major Maximilian Bayer wurde am 11.5.1872 in Karlsruhe geboren. Seine ersten Kriegserfahrungen hatte er als Stabsoffizier in Afrika gesammelt. Er war Gründungsmitglied der deutschen Pfadfinderbewegung und bis zu seinem Tod deren Vorsitzender. Er verfügte über eine breite Allgemeinbildung. Er war Schriftsteller, ein bekannter Rhetoriker, Musikkenner und Erzieher.
Er widmete sich mit ganzem Herzen der Ausbildung und Erziehung der finnischen Freiheitskämpfer. Major Bayer fiel als Regimentskommandeur an der Westfront nahe Verdun am 25.10.1917. Er ist in Mannheim begraben. Auf dem Grab errichteten die Finnen einen Gedenkstein.
Die Rekrutierung der Jäger
Nach zahlreichen Beratungen und Planungsüberlegungen unterschrieb Kaiser Wilhelm II. Ende August 1915 den Befehl, den Pfadfinderkurs zu einem verstärkten Jägerbataillon aufzubauen. Vorgesehen war eine Sollstärke von 2000 Mann.
Jetzt galt es, Personal zur Verstärkung zu bekommen. Anfangs wurden zu Kriegsbeginn in Deutschland verbliebene Finnen angeworben. Dies waren über hundert mann. Die Masse musste jedoch aus Finnland kommen. Die Führeung dieser Anwerbung hatte ein sogenanntes Exekutivkomitee inne. Zu dessen Unterstützung fungierte ein Zentralkomitee. Letzteres setzte sich aus Persönlichkeiten der älteren Generation zusammen, die der Selbständigkeitsbewegung positiv gesonnen waren. In den Komitees waren alle bürgerlichen Parteien vertreten. Ob- wohl die sozialdemokratische Partei sich nicht dem Komitee anschloss, verhielten sich viele Mitglieder ihrer Führung gegenüber der Selbständigkeitsbewegung positiv und leisteten bedeutende Unterstützung. Die Bewegung hatte keine innen- oder gesellschaftspolitischen Ziele und somit war die Grenze zwischen ihren Befürwortern und Gegnern keine parteipolitische Trennlinie.
Die Absicht der Komitees, eine landesweite zentral geleitete Anwerbesorganisation zu gründen, zeitigt nicht den gewünschten Erfolg. Die lokalen Werber mussten recht selbständig agieren. Ihre Tätigkeit war äußerst gefährlich, da Kriegrecht herrschte und das Land von den Russen scharf überwacht wurde. Dennoch fanden sich zahlreiche Rekrutierer, größtenteils Zivilisten. Sie kamen aus allen Berufen, aber meist waren sie angesehene und bekannte Persönlichkeiten ihrer Region. Als Werber betätigten sich auch Studenten, die zwischen der Hauptstadtregion und den Provinzen unterwegs waren. Der Einsatz solcher Jäger, die Lockstedt zur Unterstützung der Anwerbung nach Finnland entsandt hatte, war für die Organisation äußerst wichtig..
Etappenwege
Diejenigen Freiwilligen, die nach Deutschland gingen, mussten das Land heimlich verlassen. Für den Weg über die Grenze mussten Etappenstationen eingerichtet werden, die von Jägern oder Verbindungsleuten aus der örtlichen Bevölkerung betreut wurden. Der Grenzübertritt war gefährlich und erforderte vielfach lange Fuß- oder Skimärsche. Zum Startpunkt eines Etappenweges gelangte man von Südfinnland aus per Eisenbahn.
Der wichtigste Etappenweg führte von Kemi nach Haparanda. Ein Teil der Jäger wanderte zum Torniofluss oder ging über die Tornioetappe nach Schweden. Als diese Etappe entdeckt wurde, wanderte man per Ski über den Bottnischen Meerbusen nach Umeå. Wenn das Meer eisfrei war, setzte man mit dem Boot über.
Im Spätwinter und Frühjahr 1916 verhafteten die russischen Gendarmen 50 Aktivisten. Ende des Jahres kam es auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Beamten und Aktivisten, von denen das Gefecht bei Simo die größte Bekanntheit erlangte.
Durch Entsendung von Jägern nach Finnland und die Einrichtung von Etappenwegen durch entlegene Gebiete versuchte man die schwieriger gewordene Anwerbung wieder zu beleben. Eine Art Zentrale bildete Halla bei Hyrynsalmi. Der Besitzer dieses Hauses in der Wildnis war Juho Heikkinen, der „Alte von Halla“. Er war einer der mutigsten Helfer der Jäger.
In Folge der Anwerbung waren bis Ende Mai 1916 insgesamt 1510 angehende Jäger nach Deutschland gegangen – zusätzlich zu den schon dort in der Ausbildung befindlichen. Das Jägerbataillon bestand hauptsächlich aus Männern von Ostrobothnien, Uusimaa, Helsinki und Karelien.
Die finnische Jägertruppe war eine Art Miniatur-Volksarmee, denn dort waren alle Berufsgruppen und Altersklassen von 15 bis 49 Jahren vertreten. Das Durchschnittsalter lag im Jahr 1916 unter 24 Jahren.
Unter den schwierigen und gefährlichen Verhältnisse konnte bei der Anwerbung keine Auswahl unter den Bewerbern erfolgen. Hunderte von Freiwilligen mussten in Deutschland in zivile Arbeitsverhäktnisse vermittelt werden. Nach diesen Ausmusterung nahmen von 1890 in den Bataillonslisten registrierten Männern 1261 Jäger am Freiheitskrieg teil. Deren Mehrheit verfügte über gute soldatische Fähigkeiten und Führungspersönlichkeiten gab es viele.